Mittwoch, 10. April 2013

Strohballenhäuser: Schimmel, Flammen, Viecher ?


Was für ein Gedanke: Ein Kind zeugen, in Apfelbäumchen pflanzen und zuletzt ein Haus errichten, das alle und Allen Lebensqualität bietet, nicht Jahrhunderte überdauert und zum Zankapfel der übernächsten Erbengeneration wird und dazu noch relativ günstig ist.

Möglicherweise geht das ja: Mit Stroh.

Wie bitte? Stroh als Baumaterial? Na, wenn man da nicht auf Sand baut oder sich auf dem Holzweg befinde....

Nun: Vieles spricht für Stein als Baumaterial, Vieles auch für Holz oder sogar Schnee / Eis - aber Einiges eben auch für: Stroh. Komischerweise sind mir in den letzten Wochen verstärkt Leute begegnet, die sich mit Strohballenhäusern beschäftigen. Am Anfang hab ich gedacht: Neee, das klingt mir zu sehr nach "Alm", alternativ, Instabilität und Ungeziefer. Oder um es juristischer auszudrücken: Wenig genehmigungsfähig.

Weit gefehlt, mittlerweile bin ich ein wenig informierter: Die Idee, Häuseraußenwände (oder sogar Fundamente) ganz oder teilweise mit Stroh zu errichten, ist weder neu, noch originell. Um exakt zu sein, ist es die konsequente Weiterführung des Gedankens, mangels Holz anderes vorhandenes, ebenso regional verfügbares Material zum Häuserbau zu verwenden - eben Stroh - und dies nicht nur zum Mittagsschlaf auf dem Feld. Logischerweise muss dieser Gedanke in einer Gegend ihren Ursprung gefunden haben, in der genügend Stroh anfiel.

Im 19 Jahrhundert sollen Wanderarbeitern in Nebraska (USA) - einer Gegend mit riesigen Getreidefeldern - Strohballen wie Ziegelsteine "selbsttragend" zum Wandaufbau eingesetzt haben. Solche "Häuser" waren leicht aufgebaut, nicht teuer und - so wohl die Idee - das Material baut sich im Zweifel nach der Saison von selbst wieder ab. Also wurden Heu und Stroh mit Muskelkraft zu soliden Blöcken zusammengepresst und zirka 70 Strohballenhäuser gebaut. Entgegen den Erwartungen aber überstanden die Dinger mehr als nur einen der extremen Sommer (und Winter) - und wurden so schließlich zu "Dauerbauten". Der nächste Schritt zum vollwertigen Haus war dann die Erfindung der von Pferden angetriebenen Strohballenpresse.

Zwei Schritte zurück: Stroh als Baumaterial wurde - neben Lehm- schon für den Bau der ersten Häuser der Menschheit eingesetzt, wenn auch nur als "Beiwerk" oder für Dachdeckungen. In Nebraska schließlich wurden zunächst ausschließlich Strohhäuser errichtet, deren Wände aus Stroh bestanden und diese das Dach direkt trugen (loadbearing straw-bale-house, Nebraska-Stil). Bald aber schon - im Jahr 1936 - wurde erstmals ein zweistöckiges Strohhaus errichtet, dessen Holzrahmenkonstruktion mit Strohballen lediglich verfüllt (manchmal nur "gestopft") wurde. Und aus dem Ganzen wurde seinerzeit dann eine Art eigenständige "Architektur" mit vielen Gestaltungsmöglichkeiten.

Nach dem Zweiten Weltkrieg kam die Strohbauweise wieder aus der Mode. da gab es andere Probleme zu lösen. Erst 1974, inmitten der Ölkrise, erlebte die kostengünstige Strohbautechnik eine neue, bescheidene Blüte. Der endgültige Boom (in den USA) wurde durch Strohhausbeschreibung in Holzständerbauweise des kalifornischen Architekten Jon Hammond in dem Magazin Fine Homebuilding im Dezember 1984 ausgelöst.

Dem folgend werden auch heute noch im Wesentlichen zwei Bauweisen unterschieden: Entweder tragen die Strohballen die gesamte Last (auch die Dachlast) - dann ist es selbsttragenden Bauweise, oder die Last wird durch eine Holzkonstruktion getragen, deren Zwischenräume mit Strohballen ausgefüllt werden. Weiterhin kann man sich überlegen, ob die Strohballen aussen an der Holzkonstruktion verabrbeitet werden, oder innen) also Richtung Hausinneres). Für lAlles gibt es Pros und Kontras. Gemeinsam aber sind all diesen Bauvarianten die Verwendung von stark gepressten Strohballen. Die klassischen Strohballen, hergestellt mit einer üblichen kleinen Ballenpresse, haben die Abmaße von 80-90 cm in der Länge, 50 cm in der Breite, wenn sie liegen, und 35 cm in der Höhe. Üblich sind aber auch Strohballen mit den Maßen 250 x 125 x 90 cm; ein solcher Ballen kostet ca. 25 € (ohne Gewähr).

Heute stehen mehr als 13.000 Strohwohnhäuser in den Vereinigten Staaten, im Vergleich dazu ca. 80 in Deutschlan (keliener Scherz: Nur die Österreicher machen aus Stroh weiterhin lieber Rum). In Deutschland gibt es mittlerweile sogar einen "Fachverband Strohballenbau" mit Informationen und Ausbildungsmöglichkeiten - http://www.fasba.de/


Ein Strohballenhaus braucht hohe Stiefel und einen großen Hut“


Hausbau mit Stroh - da gibt es viele Vorurteile: Wenn es feucht wird, schimmele das Stroh, Nager und anderes Getier freuten sich über Strohballen als Unterkunft (das könne man ja in jedem Stall beobachten) und schließlich brenne Stroh "wie Zunder".,

Dem ist aber nicht ganz so !

Feuchtigkeit zum Beispiel, sei es aufsteigende oder schlagregnende vom Himmel fallend, muss nicht zu Problemen führen. Nein ! Feuchtigkeitschäden lassen sich konstruktiv vermeiden durch

1. Hohe Stiefel:

- ein sehr gutes Fundament (zB. Kapilarbrechender Kiesel und darauf Schieferplatten)
- genügend Abstand der untersten Stohballen zum Boden
- Feuchtigkeitssperren

2. Einen großen Hut:

. trockenes Stroh beim Bau
- ausreichender Dachüberstand (gegen Schlagregen von der Seite), mindestens einen Meter.


Schädlingen, also Kleinnagetiere und Insekten verschiedenster Arten bietet Stroh keinen besonderen Anziehungspunkt! In der kälteren Jahreszeit allerdings werden offen liegende, unverputzte Strohballen aufgrund ihrer guten Wärmedämm-Eigenschaften gerne von Mäusen als Behausung aufgesucht. Richtung Winter sollte der Bau eines Strohhauses daher abgeschlossen sein.

Wer mag, kann zur Gewissensberuhigung dem angeblichen Nagetierbefall von Strohballenwänden zusätzlich durch engmaschige Drahtnetze unter dem Putz vorbeugen.

Feuer: Die verbreitete Angst, Bauen mit Stroh erhöhe die Brandgefahr, ist mittlerweile widerlegt. So entsprechen beidseitig mit 5 cm Lehmputz versehene moderne Strohballengebäude der Brandschutzklasse F90 (Feuerwiderstands-dauer 90 min), was einer 20 cm dicken Betonwand entspricht.

Allerdings ist es beispielsweise ein Bau-Kardinalfehler, Stromkabel im direkten Kontakt mit den Ballen zu verlegen. Sollte es (aus welchen Gründen auch immer ) zu einem Kabelbrand kommen, kann ein Schwellbrand entstehen, der wochenlang glimmt, und an einer luftigen Stelle, plötzlich zu einem echten Brand wird. Generell sollten Elektrokabel an "sensiblen" Stellen immer in zehn Zentimeter dickes, feuerresistentes Material gepackt werden, Beispielsweise Ziegel oder Lehm.


Nachteile:

Selbstverständlich hat das Bauen mit Stroh Nachteile:

- Durch die ungewöhnlich großen Wandstärken (ca. 45-65cm) benötigt man für die gleiche Wohnraumfläche ein größeres Grundstück,

- Der Bau von mehr als zwei Geschossen ist derzeit nicht möglich bzw. genehmigungsfähig; Derzeit ist es vorraussichtlich möglich nur 2 Geschosse zu bauen.

- Der Bau selbst ist stark witterungsabhängig: Eine Rohbauphase in den Sommermonaten ist ideal,

- Während der Bauphase besteht erhöhte Feuergefahr (unverdichtete Strohreste oder Halme brennen sehr wohl) und Gefahr des Nagetier- oder Insektenbefalls, ebenfalls kann es in dieser Phase bei bestehenden Stauballergien zu unangenehmen Reaktionen kommen, 

- Teilweise ist ein hohes Setzmaß der Strohballen, bzw. Verpressung der Wände ist erforderlich.

Vorteile

Hingegen sprechend die Vorteile des Bauens mit Stroh für sich: Stroh ist als Baumaterial günstig, umwelt- und energieschonend, ökologisch und nachhaltig. Strohballen sind mit manpower einfach zu bearbeiten und zu formen, flexibel, solide, stabil und auch über lange Zeit haltbar. Zudem sind Strohballen beinahe rund um die Welt regional verfügbar.

Im Gegensatz zu Stroh brauchen moderne Baustoffe spezialisierte, teure Arbeitskräfte und Werkzeuge bzw. Maschinen, sie sind meist unflexibel, besitzen nur geringen ästhetischen Charakter, sind oft giftig und erzeugen während Herstellung, Verarbeitung, Gebrauch und Entsorgung erhebliche Mengen an Umweltverschmutzung und Abfall.
Strohballen speichern aufgrund ihrer geringen Masse nur wenig Wärme. Ebenso weisen Strohballen eine sehr geringe Wärmeleitfähigkeit auf, wobei stehende Ballen relativ zur Wanddicke weniger Wärme durchlassen. Woran liegt das? Nun, beim Pressen der Ballen werden die Strohhalme quer zur Pressrichtung eingelegt - daher erstrecken sich die Halme bei einem liegendem Ballen entlang der Breite des Ballens. Stellt man den Strohballen hingegen auf, so stehen auch die Halme und sie setzen dem Wärmefluss mehr Widerstand entgegen als bei liegenden, wo die Wärme leichter entlang der dünnen Röhrchen kriechen kann. Technisch ausgedrückt: Bei einem Wärmestrom parallel zur Faser ist die Wärmeleitfähigkeit höher als bei einem Wärmestrom senkrecht zur Faser.
Bei der Verwendung von stehenden Strohballen (d=35cm) kann der Passiv-hausstandart mit einem U-Wert unter 0,15 W/m²K erreicht werden. Ein 6cm dicker Lehmputz kann wesentlich zum Wärmepuffer des Gebäudes beitragen. Die gesamte Wärmespeicherfähigkeit Wand aus stehenden Kleinballen mit 6cm Lehmputz innen entspricht etwa der Speicherfähigkeit einer 11,5 cm dicken Backsteinwand.
Stroh ist gesünder: Im fertigen, verputzten Gebäude das Stroh in Verbindung mit Lehm ausgesprochen positive Auswirkungen auf das Raumklima. Der Lehmputz wirkt feuchtigkeitsausgleichend und luftreinigend. Außerdem bieten Strohballen wegen ihrer relativ geringen Dichte und hohen Elastizität einen sehr guten Schallschutz. 

Außerdem sind Strohhäuser in der Regel schnell errichtet: Allen, die es beim Hausbau sehr eilig haben, kann gesagt werden, dass bei hoher Eigenleistung und komplikationslosem Verlauf ein 150 Quadratmeter-Haus in sechs Monaten bezugfertig aufgestellt werden kann (das wird nur noch von einem Ultraschnell-Fertighaus getoppt, für das man lediglich vier Fertigwände braucht -zB 6 (Tiefe) mal 8 (Höhe) Meter - und ganz viele, zehn Meter lange lange Nägel. Und einen riesigen Hammer ;-)) )

Fazit: Berücksichtigt man alle Kosten und Nutzenfaktoren, erweisen sich Strohballen für mich als eines der bemerkenswertesten modernen Bau-Materialien. Mal sehen, was daraus wird....