Töne uas dem Akkordeon - genau die waren mein Problem. Um
noch genauer zu sein: Zu viele Töne.
Mein Akkordeon machte zu viele Töne.
Seit ca. 35 Jahren habe ich eine Hohner Lucia IV, ein solides,
robustes, "unkaputtbares" Instrument. Verglichen mit dem
Automobilsektor: ein Golf II. Die "Lucy" war mein erstes
Instrument nach der Schüler-Einstiegsklasse "Hohner Student"
und vor der concertanten Morino, die ich fürs konzertante Spielen im
Orchester benötigte.
Mit Lucia habe ich jahrzehntelang die
basics erledigt, in Kneipen und auf Festen gespielt und unplugged auf
Hochzeitfeiern, sie jahrelang quasi unbeachtet in der Ecke stehen
lassen, sie verflucht und geliebt. Und natürlich habe ich Sie
mitgenommen, als wir 2010 die Plan-Be-Fahrt antraten. Die Morino
hingegen wurde verkauft. Nicht meine Lucia !
Hohner Lucia IV, 96
Bässe
Für Bücher und Instrument m u s s
einfach Platz sein, auch im kleinsten Wohnwagen, und egal, wie eng es
ist. Hm... auch mitgenommen habe ich allerdings eine cajon - und
mittlerweile sind eine (auf D gestimmte) Irish wistle, eine
Blockflöte und verschiedene Percussionsinstrument dazu gekommen).
Und dann? Immer, wenn ich seit 2013 die
kleine "Quetsche" in die Hand nahm und den Balg betätigte,
spielte sie - ohne dass ich eine Taste oder einen Bassknopf gedrückt
hatte, Töne. Das erste Mal in Portugal. Bähhh - mit solch
ungewollten Dauertönen im Hintergrund, ein Pfeifen sozusagen, macht
das Spielen keinen Spaß - besonders bei ruhigen Stücken wie "Shine
On Your Crazy Diamond".
Prostestgequietsche? Instrumentale
Emanzipation? Alterschwäche?
Noch in Portugal habe ich mich mit dem
Problem beschäftigt, das Instrument auseinander genommen und am
bloßen Anblick der komplizierte Mechanik verzweifelt. Mit etwas
Ursachenforschung per Internet kam ich zu dem Ergebnis, dass offenbar
die fast 40 Jahre alten "Wechselgummis" an den Tonklappen
erneuert werden müssen. Bin als "erste
Hilfe" zu einem der beiden Akkordeon-Reparaturläden in ganz
Portugal (!)gefahren, ein kleiner Laden nähe Tomar. Der gute Mensch
hatte keine Wechselgummis vorrätig, war aber so nett, mit für
wenige Euro eine Übergangslösung anzubieten, die Klappen zu richten
- mein Gott, der hatte Akkordeon-Spezialwerkzeug, so etwas hatte ich
noch nie gesehen. Ergebnis aber: Es ging wieder.
Habe vorsorglich Wechselgummis bestellt, allerdings nach
Deutschlands und an die Adresse eines Freundes. Um es dann später zu reparieren.
Danach habe
ich mich dann irgendwie gescheut, das Instrument auszupacken, um es selbst zu
reparieren: Weder hatte ich die Kenntnisse dazu, noch das nötige
Werkzeug.
Erst nach Ostern 2014 hatte ich wieder
den Nerv, mich um das Instrument zu kümmern. Ich wusste, dass in der
Kölner Südstadt ein ehemaliger Straßenmusiker, Michael
Rheinländer, in der Vergangenheit ähnliche Reparaturprobleme hatte
und daraufhin (nach einigen Ausbildungen bei Hohner in Trossingen)
eine "Akkordeon-Werkstatt" eröffnet hat . Mittlerweile ist
er über die Stadtgrenzen hinaus bekannt. Ich hatte mich schon
einmal, 2010, wegen der Einschätzung des Wertes meiner Morino, an
ihn gewendet. Scien mir damals ein freundlicher Mensch zu sein.
Ergo habe ich ihn angemailt, ob er die
Wechselgummis austauschen würde, mir hätten in Portugal Kenntnis
und Werkzeug gefehlt - hat er umgehend geantwortet, ich solle einfach
vorbei kommen.
Und genau DAS habe ich gestern
gemacht. Nach kurzem Gespräch, was erforderlich sei, meinte er: Um
Dir beim nächsten Mal selbst helfen zu können: Hast Du etwas Zeit?
Wenn ja, zeige ich Dir, wie das geht, da hinten sind Stuhl, Werkbank,
Werkzeug und Ersatzteile - und Du Tauscht die Wechselgummis selbst
aus.
Da war ich baff! Gesagt getan: Unter
solch fachkundiger Anleitung hat das sogar geklappt. Vier Stunden
habe ich gebraucht, unter geduldigster Anleitung eines Fachmannes
(der nebenbei andere Instrumente repariere und stimmte) - aber ich
habe mein Instrument selbst repariert. Außer dem Austausch sämtliche
Wechselgummis noch die Mechanik des Instruments kennen gelernt,
Klappen gerichtet, beschädigte Klebestellen beseitigt und, und,
und..... Ich weiß also jetzt, wie es geht.
Das Wichtigste aber: Es blieb Zeit für
ein tolles Gespräch - selten hatte ich in den letzten Jahren eine so
unkonventionelle, interessante Begegnung und einen derart netten und
sympathischen Menschen näher kennen gelernt.
Mir fehlen echt fast die Worte dafür
...und auch Lucia hat keine Töne mehr.
Und so bin ich wohl wieder einmal zum
richtigen Zeitpunkt darauf gestoßen worden, dass mein Weg für mich
genau der richtige ist: Offen, gelassen und dankbar...
Zur Vervollständigung:
kölner akkordeon werkstatt
Meisterbetrieb
Michael Rheinländer
Veledastr. 17 · 50678 Köln
Telefon: 0221 / 34 23 77
Meisterbetrieb
Michael Rheinländer
Veledastr. 17 · 50678 Köln
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