Was
für ein Gedanke: Ein Kind zeugen, in Apfelbäumchen pflanzen und
zuletzt ein Haus errichten, das alle und Allen Lebensqualität
bietet, nicht Jahrhunderte überdauert
und zum Zankapfel der übernächsten Erbengeneration wird und dazu
noch relativ günstig ist.
Möglicherweise
geht das ja: Mit Stroh.
Wie
bitte? Stroh als Baumaterial? Na, wenn man da nicht auf Sand baut
oder sich auf dem Holzweg
befinde....
Nun:
Vieles spricht für Stein als Baumaterial, Vieles auch für Holz oder
sogar Schnee / Eis - aber Einiges eben auch für: Stroh.
Komischerweise sind mir in den letzten Wochen verstärkt Leute
begegnet, die sich mit Strohballenhäusern beschäftigen. Am Anfang
hab ich gedacht: Neee, das klingt mir zu sehr nach "Alm",
alternativ, Instabilität und Ungeziefer. Oder um es juristischer
auszudrücken: Wenig genehmigungsfähig.
Weit
gefehlt, mittlerweile bin ich ein wenig informierter: Die Idee,
Häuseraußenwände (oder sogar Fundamente) ganz oder teilweise mit
Stroh zu errichten, ist weder neu, noch originell. Um exakt zu sein,
ist es die konsequente Weiterführung des Gedankens, mangels Holz
anderes vorhandenes, ebenso regional verfügbares Material zum
Häuserbau zu verwenden - eben Stroh - und dies nicht nur zum
Mittagsschlaf auf dem Feld. Logischerweise muss dieser Gedanke in
einer Gegend ihren Ursprung gefunden haben, in der genügend Stroh
anfiel.
Im
19 Jahrhundert sollen Wanderarbeitern in
Nebraska (USA) - einer Gegend mit riesigen Getreidefeldern -
Strohballen wie Ziegelsteine "selbsttragend" zum Wandaufbau
eingesetzt haben. Solche "Häuser" waren leicht aufgebaut,
nicht teuer und - so wohl die Idee - das Material baut sich im
Zweifel nach der Saison von selbst wieder ab. Also
wurden Heu und Stroh mit Muskelkraft zu soliden Blöcken
zusammengepresst und zirka 70 Strohballenhäuser gebaut.
Entgegen den Erwartungen aber überstanden die Dinger
mehr als nur einen der extremen Sommer (und Winter) - und wurden so
schließlich zu "Dauerbauten". Der nächste Schritt zum
vollwertigen Haus war dann die Erfindung
der von Pferden angetriebenen Strohballenpresse.
Zwei Schritte zurück: Stroh als
Baumaterial wurde - neben Lehm- schon für den Bau der ersten Häuser
der Menschheit eingesetzt, wenn auch nur als "Beiwerk" oder
für Dachdeckungen. In Nebraska schließlich wurden zunächst
ausschließlich Strohhäuser errichtet, deren Wände aus Stroh
bestanden und diese das Dach direkt trugen (loadbearing
straw-bale-house, Nebraska-Stil).
Bald aber schon - im Jahr 1936 - wurde erstmals ein zweistöckiges
Strohhaus errichtet, dessen Holzrahmenkonstruktion mit Strohballen
lediglich verfüllt (manchmal nur "gestopft") wurde. Und
aus dem Ganzen wurde seinerzeit dann eine Art eigenständige
"Architektur" mit vielen Gestaltungsmöglichkeiten.
Nach
dem Zweiten Weltkrieg kam die Strohbauweise wieder aus der Mode. da
gab es andere Probleme zu lösen. Erst 1974, inmitten der Ölkrise,
erlebte die kostengünstige Strohbautechnik eine neue, bescheidene
Blüte. Der endgültige Boom (in den USA) wurde durch
Strohhausbeschreibung in Holzständerbauweise des kalifornischen
Architekten Jon Hammond in dem Magazin Fine
Homebuilding
im Dezember 1984 ausgelöst.
Dem
folgend werden auch heute noch im Wesentlichen zwei Bauweisen
unterschieden: Entweder tragen die Strohballen die gesamte Last (auch
die Dachlast) - dann ist es selbsttragenden Bauweise, oder die Last
wird durch eine Holzkonstruktion getragen, deren Zwischenräume mit
Strohballen ausgefüllt werden. Weiterhin kann man sich überlegen,
ob die Strohballen aussen an der Holzkonstruktion verabrbeitet
werden, oder innen) also Richtung Hausinneres). Für lAlles gibt es
Pros und Kontras. Gemeinsam aber sind all diesen Bauvarianten die
Verwendung von stark gepressten Strohballen. Die klassischen
Strohballen, hergestellt mit einer üblichen kleinen Ballenpresse,
haben die Abmaße von 80-90 cm in der Länge, 50 cm in der
Breite, wenn sie liegen, und 35 cm in der Höhe. Üblich sind aber
auch Strohballen mit den Maßen 250 x 125 x 90 cm; ein solcher Ballen
kostet ca. 25 € (ohne Gewähr).
Heute
stehen mehr als 13.000 Strohwohnhäuser in den Vereinigten Staaten,
im Vergleich dazu ca. 80 in Deutschlan (keliener Scherz: Nur die
Österreicher machen aus Stroh weiterhin lieber Rum). In Deutschland
gibt es mittlerweile sogar einen "Fachverband Strohballenbau"
mit Informationen und Ausbildungsmöglichkeiten - http://www.fasba.de/
„Ein
Strohballenhaus braucht hohe Stiefel und einen großen Hut“
Hausbau
mit Stroh - da gibt es viele Vorurteile: Wenn es feucht wird,
schimmele das Stroh, Nager und anderes Getier freuten sich über
Strohballen als Unterkunft (das könne man ja in jedem Stall
beobachten) und schließlich brenne Stroh "wie Zunder".,
Dem
ist aber nicht ganz so !
Feuchtigkeit
zum Beispiel, sei es aufsteigende oder schlagregnende vom Himmel
fallend, muss nicht zu Problemen führen. Nein ! Feuchtigkeitschäden
lassen sich konstruktiv vermeiden durch
1.
Hohe Stiefel:
-
ein sehr gutes Fundament (zB. Kapilarbrechender Kiesel und darauf
Schieferplatten)
- genügend Abstand der untersten Stohballen zum
Boden
- Feuchtigkeitssperren
2.
Einen großen Hut:
.
trockenes Stroh beim Bau
- ausreichender Dachüberstand (gegen
Schlagregen von der Seite), mindestens einen Meter.
Schädlingen,
also Kleinnagetiere und Insekten verschiedenster Arten bietet Stroh
keinen besonderen Anziehungspunkt! In der kälteren Jahreszeit
allerdings werden offen
liegende, unverputzte Strohballen
aufgrund ihrer guten Wärmedämm-Eigenschaften gerne von Mäusen als
Behausung aufgesucht. Richtung Winter sollte der Bau eines
Strohhauses daher abgeschlossen sein.
Wer
mag, kann zur Gewissensberuhigung dem angeblichen Nagetierbefall von
Strohballenwänden zusätzlich durch engmaschige Drahtnetze unter dem
Putz vorbeugen.
Feuer:
Die verbreitete Angst, Bauen mit Stroh erhöhe die Brandgefahr, ist
mittlerweile widerlegt. So entsprechen beidseitig mit 5 cm Lehmputz
versehene moderne Strohballengebäude der Brandschutzklasse F90
(Feuerwiderstands-dauer 90 min), was einer 20 cm dicken Betonwand
entspricht.
Allerdings
ist es beispielsweise ein Bau-Kardinalfehler, Stromkabel im direkten Kontakt mit den Ballen
zu verlegen. Sollte es (aus welchen Gründen auch immer ) zu
einem Kabelbrand kommen, kann ein Schwellbrand entstehen, der
wochenlang glimmt, und an einer luftigen Stelle, plötzlich zu einem
echten Brand wird. Generell sollten Elektrokabel an "sensiblen"
Stellen immer in zehn Zentimeter dickes, feuerresistentes Material
gepackt werden, Beispielsweise Ziegel oder Lehm.
Nachteile:
Selbstverständlich
hat das Bauen mit Stroh Nachteile:
-
Durch die ungewöhnlich großen Wandstärken (ca. 45-65cm) benötigt
man für die gleiche Wohnraumfläche ein größeres Grundstück,
-
Der Bau von mehr als zwei Geschossen ist derzeit nicht möglich bzw.
genehmigungsfähig; Derzeit ist es vorraussichtlich möglich nur 2
Geschosse zu bauen.
-
Der Bau selbst ist stark witterungsabhängig: Eine Rohbauphase in den
Sommermonaten ist ideal,
-
Während der Bauphase besteht erhöhte Feuergefahr (unverdichtete
Strohreste oder Halme brennen sehr wohl) und Gefahr des Nagetier-
oder Insektenbefalls, ebenfalls kann es in dieser Phase bei bestehenden Stauballergien zu unangenehmen Reaktionen kommen,
-
Teilweise ist ein hohes Setzmaß der Strohballen, bzw. Verpressung
der Wände ist erforderlich.
Vorteile
Hingegen
sprechend die Vorteile des Bauens mit Stroh für sich: Stroh ist als
Baumaterial günstig, umwelt- und energieschonend, ökologisch und
nachhaltig. Strohballen sind mit manpower einfach zu bearbeiten und
zu formen, flexibel, solide, stabil und auch über lange Zeit
haltbar. Zudem sind Strohballen beinahe rund um die Welt regional
verfügbar.
Im
Gegensatz zu Stroh brauchen moderne Baustoffe spezialisierte, teure
Arbeitskräfte und Werkzeuge bzw. Maschinen, sie sind meist
unflexibel, besitzen nur geringen ästhetischen Charakter, sind oft
giftig und erzeugen während Herstellung, Verarbeitung, Gebrauch und
Entsorgung erhebliche Mengen an Umweltverschmutzung und Abfall.
Strohballen
speichern aufgrund ihrer geringen Masse nur wenig Wärme. Ebenso
weisen Strohballen eine sehr geringe Wärmeleitfähigkeit auf, wobei
stehende Ballen relativ zur Wanddicke weniger Wärme durchlassen.
Woran liegt das? Nun, beim Pressen der Ballen werden die Strohhalme
quer zur Pressrichtung eingelegt - daher erstrecken sich die Halme
bei einem liegendem Ballen entlang der Breite des Ballens. Stellt man
den Strohballen hingegen auf, so stehen auch die Halme und sie setzen
dem Wärmefluss mehr Widerstand entgegen als bei liegenden, wo die
Wärme leichter entlang der dünnen Röhrchen kriechen kann.
Technisch ausgedrückt: Bei einem Wärmestrom parallel zur Faser ist
die Wärmeleitfähigkeit höher als bei einem Wärmestrom senkrecht
zur Faser.
Bei
der Verwendung von stehenden Strohballen (d=35cm) kann der
Passiv-hausstandart mit einem U-Wert unter 0,15 W/m²K erreicht
werden. Ein 6cm dicker Lehmputz kann wesentlich zum Wärmepuffer des
Gebäudes beitragen. Die gesamte Wärmespeicherfähigkeit Wand aus
stehenden Kleinballen mit 6cm Lehmputz innen entspricht etwa der
Speicherfähigkeit einer 11,5 cm dicken Backsteinwand.
Stroh
ist gesünder: Im fertigen, verputzten Gebäude das Stroh
in Verbindung mit Lehm ausgesprochen positive Auswirkungen auf das
Raumklima. Der Lehmputz wirkt feuchtigkeitsausgleichend und
luftreinigend. Außerdem bieten Strohballen wegen ihrer relativ
geringen Dichte und hohen Elastizität einen sehr guten Schallschutz.
Außerdem
sind Strohhäuser in der Regel schnell errichtet: Allen, die es beim
Hausbau sehr eilig haben, kann gesagt werden, dass bei hoher
Eigenleistung und komplikationslosem Verlauf ein 150
Quadratmeter-Haus in sechs Monaten bezugfertig aufgestellt werden
kann (das wird nur noch von einem Ultraschnell-Fertighaus getoppt,
für das man lediglich vier Fertigwände braucht -zB 6 (Tiefe) mal 8
(Höhe) Meter - und ganz viele, zehn Meter lange lange Nägel. Und
einen riesigen Hammer ;-)) )
Fazit:
Berücksichtigt man alle Kosten und Nutzenfaktoren, erweisen
sich Strohballen für mich als eines der bemerkenswertesten modernen
Bau-Materialien. Mal sehen, was daraus wird....