Montag, 6. Juni 2011

Siena-ocker

Kennt jemand „sienabraun / sienaocker“ ...?

... , die Farbe mit der seit jeher her klassisch gemalt wird. Vorgestern erst hat mir Walter das erste Mal davon erzählt, und dass er es selbst mit Erdelemente aus der Gegend um Siena anmischt. Aha !? Erst danach wurde ich der Farbe bewusst gewahr und ansichtig - und seit gestern kann ich es nicht nur sehen und riechen, sondern auch fühlen, spüren und schmecken... Wahnsinn, oder?

Gestern nämlich sind wir wieder in der Gegend zwischen Siena und San Gimignano auf dem alten Pilgerweg, dem Frankenweg („Via Francesia“ zwischen Canterbury und Rom) gewandert. Eine sehr schöne Gegend mit vielen Schönheiten fürs Auge. Rauf und runter (die angeblich „sanften Hügel“ der Toskana sind selbst für erfahrene Wanderer wie uns nicht zu unterschätzen !!), über Feldwege mit wunderschöner Erdfarbe, goldocker bis warmbraun, durch Wälder, über Wiesen und kleine, über den Weg plätschernden Bächen, die ich mit meinen Wanderschuhen problemlos durchqueren konnte. Stefanie bekam darin in Ihren Wandersandaletten allerdings leicht nasse Füße. Aber, sie hatte ja keine Socken an – und dem Hund hat es auch Spaß gemacht, die Pfötchen zwischendurch etwas abzukühlen.

Denn, es war warm und ein wenig schwül bei ca. 28 Grad, aber so ist die Gegend halt. In Wander-T-Shirts ist es ja nicht sooo unerträglich.

Und es waren kaum andere Wanderer unterwegs, dafür ist der Weg wohl zu unbekannt. Viel mehr wandernde Menschen tummelten sich auf den mittlerweile auch hier vorhandenen Rundwegen, wohl weil sie auch „gezähmt“, kürzer und nicht so anstrengend sind. Im Gepäck hatten wir neben etwas Verpflegung, nämlich zwei Liter Wasser mit Apfelessig, trockenes Brot, Oliven, etwas Dauerwurst und ein wenig Obst. Und Regencapes. Man weiß ja nie...

Immer wieder waren wir froh, wenn sich die Sonne für kurze Zeit hinter einer Wolke versteckte, weil dann die Strahlung nicht so intensiv war. Am frühen Nachmittag rasteten wir am Waldwegrand und dösten ein wenig. Als wir die Augen wieder aufmachten, tröpfelte es ein wenig und wir zogen weiter. Unser Wunsch, es möge wieder aufhören zu tröpfeln, wurde allerdings nicht erfüllt. Vielmehr wurde der Regen stärker und stärker, bis es schließlich „cats and dogs“ regnete und dazu auch noch blitzte und donnerte. Unterstellmöglichkeiten existierten nicht, aber wir waren ja durch die mittlerweile übergeworfenen Regencapes zumindest vor dem Wasser geschützt. Da der Regen aber immer stärker wurde, blieben wir auch einfach einmal eine halbe Stunde unter einer Eiche (nicht alleinstehend, nur deswegen soll man ja Eichen bei Gewitter meiden) stehen und warteten geduldig auf ein Regenende. Das kam aber nicht. Also beschlossen wir, zurück zu gehen.

So einfach war das aber nicht, weil uns der Regen die Sicht versperrte, bisweilen recht nahe ein Blitz einschlug und es mächtig abkühlte (auf 13 Grad, wie wir nachher feststellten). Gut, dass die Regencapes auch etwas Wärme speichern und zumindest Wind abhalten. Mit den Schuhen war das schon anders zumal jetzt der Regen in Wegrichtung ablief, so dass der Weg quasi eine einzige große, fließende Pfütze war. Vier km vor Ende der Tour stellten wir fest, dass sich das kleine Bächlein auf halber Höhe eines Hügels, den wir mittags noch überquert hatten, zu einem wilden Bach entwickelt hatte. Aha! Nach einem test, wie tief er wohl sei – durch. Füße und Knöchel wurde dabei allerdings nass. Beim nächsten Bächlein, so auf halber Höhe eines Hügels, stiegen die Anforderungen noch. Mittlerweile ca. 5 Meter breit und so reißend, dass wir verzweifelt eine andere Möglichkeit zur Überquerung suchten – aber keine fanden. Das Wasser hatte allerdings eine wunderschöne warme, ocker- erdbraune Färbung , sienaocker/braun eben. Aber das half jetzt nicht. Wir wollten ja auch noch vor Einbruch der Dunkelheit am Ziel ankommen. Also durch:

Beim Versuch, eine geeignet flache Stelle zu finden, trat ich in ein Loch, dass der Regen wohl in den letzten zwei Stunden ausgewaschen hatte, an das ich mich nicht erinnerte, und der Schritt zum Ausblancieren führte – leider in ein noch tieferes, wassergefülltes Loch. Ergebnis: Ich tauchte ab: Neopren- und schnorchellos, dafür aber mitsamt Rucksack, Regencape und bis dato noch trockene Klamotten, tief in die braune Brühe. Das Wasser erwies sich also als über kniehoch, so dass mein Kopf beim Sturz nicht mit dem Boden in Berührung kam. Schmeckte gar nicht so schlecht, das Wasser, fühlte sich warm und weich an und sah auch unter der Oberfläche mit schreckgeöffneten Augen noch goldocker aus. Sienafarbe eben.

Stefanie hingegen hatte den Hund zu tragen, quälte sich angesichts meiner Tauchaktion durch die Dornenbüsche am Flussrand, um dann irgendwo eine Überquerungsmöglichkeit zu finden: Nämlich auf der anderen Seite einen weit, weit überhängenden Dornenzweig zu finden, sich daran festzuklammern (Aua!) und hinüber zu ziehen.

Geschafft! Und jetzt bloß weiter, im Eiltempo, der bald erwarteten Dämmerung und nassen Kleidung wegen – Bewegung hält warm. Cookie hatte, zum Schutz vor dem Bodenwasser den Schwanz tief unter den Bauch gezogen und wir hinterließen beim Gehen und den satten Klang von viiiel Wasser in den jetzt zwei Kilo schwereren Schuhen und tropften im Einklang mit dem Himmel auf den Weg..

Doch dann: Oh Schreck: Der dritte zu überquerende „Bach“, der tief im Tal lag, 1 km vor dem Ziel, war überhaupt nicht mehr passierbar, noch breiter (ca. 10 Meter), reissender und tiefer als der letzte (ich schätze hüft- bis brusthoch, zu sehen an den Bäumen ringsrum, die ebenfalls im Wasser standen). Wir schlugen uns mehr als eine ¼ Stunde und ohne Machete nach rechts am Fluss entlang lang, wir expeditionierten ebenso lang nach links am Fluss. Der Weg verlor sich überall im Walddickicht, eine Überquerungs-möglichkeit war weder da, noch irgendwo in Sicht. Brücke oder ein Stamm übers Wasser? Fehlanzeige. Also: Wieder zurück in die Ursprungsrichtung vom Vormittag. Und dann improvisieren. Mann, was haben wohl die Pilger früher in einer solchen Situation gemacht? Wohl „wohl oder übel“ im Wald übernachtet und gehofft, dass sie sich keine Lungenentzündung holen, die sie vom weiteren Weg abhielt? Gut, die hatten Filzhut und -mantel, ebenso regenabhaltend wie wärmend. Das war aber auch schon alles... wie entbehrungsreich....und wie wichtig doch Pilgerherbergen waren... und sind....

Stefanie indes kam ungeachtet meiner Gedanken an eine Waldübernachtung auf die Idee, dass sie irgendwo ein Haus gesehen habe, zu dem es ja auch eine Zuwegung geben müsse. Und diese führe auch bestimmt zu einer Strasse. Und diese wiederum hoffentlich in die richtige Richtung.

Um es kurz zu machen: Dem war in der Tat und Gott sei Dank wirklich so – und nach weiteren drei Stunden, ca. 10 km weiter und gegen 20.30 Uhr standen wir am Auto, konnten uns ein wenig abtrocknen, die Heizung einschalten und – zum trockenen Wohnwagen fahren. Pitschnass und ausgepowert, aber sehr, sehr dankbar. Ich auch deshalb, weil ich nun weiß, wie sich toskanische Erde und damit das „sienagoldocker bis -warmbraun“ – wenn auch zum Malen zu stark verdünnt – schmeckt und zwischen den Zähnen und unter der Kleidung anfühlt.